Matthias Jung


 

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Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

Gibt es einen Fußballgott?


Gottesdienst am Sonntag, den 2. Juni 2002
Ein Tag nach dem ersten Spiel der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Südkorea und Japan

 

Vorbemerkung: in diesem Gottesdienst wurden zwei Kinder, beide mit dem Namen Tom, getauft.

Liebe Gemeinde,

gibt es einen Fußballgott?

Nach dem 8:0 der deutschen Nationalmannschaft derzeit kein Thema in Deutschland. Aber sonst ist diese Frage ist unter Fußballspielern, Fans, Trainern und Managern höchst umstritten. So bekannte Schalkes Manager Rudi Assauer nach dem verpatzten Saisonende 2001 (Bayern München gewann die Meisterschaft durch ein Freistoßtor in der 91 Minute) öffentlich: ich glaube nicht mehr an den Fußballgott. Gleichzeitig machte sich bei vielen Fans in Deutschland die Meinung breit, wenn es überhaupt einen Fußballgott gäbe, dann müsse er in Bayern wohnen.

Wenn man die Kommentare zu Fußballspielen im Radio oder TV verfolgt, dann gibt es auf meine Frage nur eine klare Antwort: ja, es gibt einen Fußballgott. Schließlich wird er ständig bemüht und zitiert. Dabei meine ich nicht die Tatsache, dass manch ein Spieler wegen seiner unglaublichen Ballbehandlung schon mal als göttlich bezeichnet wird. Nein es ist vielmehr so, dass der Fußballgott direkt mit dem Spiel und dem Spielverlauf zu tun hat. Beim Kampf der Nobodys gegen einen übermächtigen Gegner hilft nur noch Beten. Steht die Abwehr katastrophal, dann hilft hinten nur noch der liebe Gott. Steht die Abwehr sicher und der Angriff kommt nicht durch, dann heißt es umgekehrt: hinten dicht und vorne hilft nur noch der liebe Gott. 

Der Fußballgott hat ganz offensichtlich mit dem Spiel an sich zu tun. Fußball. Ein Mannschaftssport, bei dem sich  zweiundzwanzig Spieler darum bemühen, einen Ball in einen ca. 7 Meter großen Kasten zu befördern. Es braucht dafür Spieler (oder auch Spielerinnen), die mit dem Ball gut umgehen können. Zugleich braucht es Spieler, die aufeinander achten können, wirklich zusammen spielen können. Es braucht Trainer, die motivieren können, Fans, die ihre Mannschaft anfeuern. Aber all das ist noch kein Garantie für Erfolg. Die Mannschaft, die den schönsten Fußball spielt, wird noch lange nicht Meister. Das hat Bayer Leverkusen in diesem Jahr schmerzlich erfahren müssen. Und da kommt der Fußballgott ins Spiel. Denn es zeigt sich, dass der Grat zwischen Erfolg und Niederlage manchmal haarscharf ist, dass der Gewinn einer Meisterschaft auch mit ganz viel Glück oder Pech zu tun hat, dass es nach menschlichen Vorstellungen da oft ungerecht zugeht. Aber andererseits macht das einen Teil des Reizes von Fußball - wie auch vieler anderer Sportarten - aus: Sieger wird nicht immer der Beste, siegen kann auch der Außenseiter und Favoriten können tief fallen. Und da ist dann Erklärungsbedarf. Der Fußballgott wird bemüht.

Eigentlich ist das beim Fußball nicht anders als sonst im Leben. Wir wissen, dass wir viel selbst in der Hand haben. Leistung kann sich sehr wohl lohnen. Und doch: gerecht geht es nach unseren Vorstellungen im Leben oft nicht zu. Zufälle entscheiden über Schicksale. Den einen fällt scheinbar alles in den Schoß und andere mühen sich ein Leben lang ab und kommen auf keinen grünen Zweig. Und zur Erklärung rufen Menschen häufig nach einer göttlichen Macht, die Antworten gibt, die Klagen hört, der aber auch Dank gespendet werden kann. Das Bedürfnis, das eigene Erleben in einen größeren Zusammenhang einzuordnen, liegt uns Menschen scheinbar im Blut. Im Alltag, aber eben auch in der Freizeit, im Sport. So wird der Fußballgott bemüht, wenn menschliche Erklärungsversuche im Blick auf Sieg und Niederlage zu kurz greifen.

Es gibt also einen Fußballgott. Aber er ist nicht identisch mit dem Gott der Bibel, mit dem Gott Jesu. Er ähnelt eher dem sogenannten "lieben Gott", der auch im Alttag oft bemüht wird, wenn wir Menschen Ungerechtigkeiten erleben oder beobachten. Dieser liebe Gott hat sozialistische Züge: allen Menschen stehen nicht nur die gleichen Rechte zu, Glück und Unglück sollen von ihm auch gleichermaßen gerecht verteilt werden. Doch der Gott der Bibel ist mit diesem lieben Gott nicht identisch. Er hat diese Welt zwar geschaffen, sie aber nicht so eingerichtet, dass alles nach sozialistischem Muster verteilt ist. Schon im Alten Testament klagen die Menschen: Warum geht es den Gottlosen so gut und den Frommen so schlecht? Auf diese Frage gibt es keine Antwort, die uns so recht zufrieden stellen würde. Wir können nur sagen, dass Gott diese Welt so eingerichtet hat, dass nicht von vorneherein alles gleich und gerecht verteilt ist. Keiner kann heute sagen, welchen Weg die beiden Tom´s in ihrem Leben gehen werden. Es ist möglich, dass einer von ihnen ein scheinbar leichtes Leben hat und der andere ein ganz schweres. Und warum der eine so und der andere nicht, wer vermag das zu sagen? Und, um auf den Fußball zurück zu kommen, niemand vermag voraus zu berechnen, wer in vier Wochen das Endspiel gewinnt. Aber das macht den Reiz des Spiels aus: ich weiß beim Anpfiff nicht, wie es nach neunzig Minuten aussehen wird. Und beim Leben ist es ähnlich: das Spannende und zugleich Aufregende oft auch Ärgerliche und Angst machende ist die Tatsache, dass ich nicht weiß, wie es weitergeht. Sicher sind aber die Zusagen des Gottes Jesu: Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende. In diesem Sinne wünschen wir den beiden Tom´s und ihren Familien alles Gute auf dem Weg, der vor ihnen liegt. Und den Fußballfans wünschen wir eine schöne und aufregende Weltmeisterschaft, denn Spielen gehört zum Leben, das war schon im Altertum so, als die römischen Kaiser die Parole ausgaben: Brot und Spiele fürs Volk. Und denen, die mit Fußball nichts anfangen können, wünschen wir die heitere Gelassenheit, ihre Männer und Frauen, Söhne, Töchter und Kolleginnen und Kollegen in diesen vier Wochen zu ertragen. Seien Sie getrost: es geht vorbei.

Amen.